In Einem Tag Die Schönsten Ecken Gironas Entdecken

„Hier in Girona haben wir das beste Restaurant der Welt. Can Roca. Kennst du es? Und den Roca-Brüdern gehört auch die Eisdiele da drüben. Isst du gerne Eis?

 

Es war 11 Uhr und die belaubte Straße war in Sonnenlicht getaucht. Der Himmel war ein wolkenloses, blasskühles Blau und berufsmäßige Tagediebe schlenderten mit Zeitschriften unter dem Arm von Café zu Café. 

Rocambolesc Gelateria

Rocambolesc Gelateria

Im Inneren der „Rocambolesc Gelateria” zeigte Margarita auf die verschiedenen Eissorten und nahm ein Buch zur Hand, um mir ein Bild der beiden Roca-Brüder zu zeigen.

 

„Es sind nette Jungs”, sagte sie liebevoll.

 

Als ich das Haselnuss- und das Turrón-Eis probierte, merkte ich, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Ich entschied: So sollte jedes Frühstück sein! „Auch wenn man es sich nicht leisten kann, in ihrem Restaurant zu essen”, lachte Margarita, „kann man auf jeden Fall ihr Eis probieren!”

 

Ich fragte sie, ob es in Girona immer so ruhig sei, so angenehm. Ich war an diesem Morgen von Barcelonaaus mit dem AVE-Zug nach Girona gekommen und staunte über den Kontrast, vor allem, weil die Fahrt nur 40 Minuten gedauert hatte.

 

„Mittlerweile ist immer mehr los, aber noch kein Vergleich zu Barcelona. Es sind nicht so viele Touristen hier. Mir gefällt’s –ich mag Girona so, wie es ist.“

Eiffel-Brücke

Ben auf der Eiffel-Brücke

Wir überquerten die bekannte Eiffel-Brücke. Margarita erklärte, dass sie kurz vor dem Eiffelturm in Paris erbaut wurde. Ich hielt an, um Fotos von den terrakotta- und senffarbenen Wohngebäuden zu machen, die sich hinter dem Fluss aufreihen. Im Hintergrund ragte der Glockenturm der Kathedrale in die Höhe und das Quaken der Enten auf dem seichten Wasser des Flusses hallte zwischen den Flussufern wider.

 

„Man sollte in Girona unbedingt auf die Schilder achten.“, sagte mir Margarita, „Auf diesem hier steht, dass die Brücke für 22. 500 Peseten erbaut wurde, also rund 9.000 €. Es war früher allgemein üblich, anzugeben, wie viel ein Bau gekostet hat.“

 

„Und wann ist das berühmte Blumenfestival?” wollte ich wissen.

 

„Das hast du gerade verpasst. Es war vor zwei Wochen, aber jeder kennt es. Dass wir hier auch ein Musikfestival haben, wissen nicht so viele Leute.“ 

Rambles de Girona

Rambles de Girona

Auf der anderen Seite der Brücke betraten wir die Rambles de Girona, eine lange Straße mit tiefen Bögen und kleinen Läden mit Kunsthandwerk und Mode sowie Cafés und Restaurants. Unter Sonnenschirmen saßen Menschen, tranken Kaffee und schmökerten in zerlesenen Taschenbüchern.

 

„Und heute ist Markt. An den Ständen werden regionale Produkte verkauft. Es ist außerdem die große Kunstausstellung, wir werden also sehr viel Kunst in den Straßen sehen”, erklärte Margarita.

 

Einkäufer standen Schlange, um Beutel voll karamellisierter Nüsse, dicke Käsestücke, Fleisch und prall gefüllte Fässer mit glitzernden Oliven zu kaufen. Margarita machte an jedem Stand Halt, gab mir etwas zum Probieren in die Hand und erklärte, dass alles ganz in der Nähe produziert wurde.

 

„Dies ist die Straße, in der die Künstler ihre Gemälde zeigen dürfen. Und hier ist der einheimische Markt, auf dem Gemüse, Fisch und Fleisch aus der Region verkauft werden sowie Wein aus dem hiesigen Anbaugebiet Empordà.“

 

Ständig hielt sie an, um Leuten zuzuwinken oder Bekannte zu begrüßen, die sie auf der Straße erkannt hatte. „Girona ist eine kleine Stadt. Man sagt, dass man hier kein Privatleben hat.“

 

Wir gingen eine kleine Seitenstraße hinauf und sie erklärte mir, dass dies die ursprüngliche Römerstraße war, die die Stadt mit Cadiz verband. Ich hielt inne, um die Atmosphäre einzusaugen, es war wie eine Zeitreise in eine lang vergangene Epoche.

 

„Man muss sich die gute Lage von Girona wirklich einmal vor Augen führen. Genau deshalb haben die Römer die Stadt hier erbaut, um die Route von Frankreich hinunter nach Cadiz im Süden Spaniens zu schützen. 

Das jüdische Viertel

El Call

Im jüdischen Viertel, auch El Call genannt, fiel mir auf, dass die Gebäude aus dicken Steinplatten bestehen, als ob sie seit Anbeginn der Zeit hier stehen. Im Jüdischen Museum erzählte Margarita mir, dass viele es nicht glauben können, dass hier Juden gelebt haben schließlich gibt es keine Synagoge.

 

„Aber diese Steine, das sind Gräber, die auf einem nahen Feld ausgehoben wurden. Sie beweisen, dass hier Juden gelebt haben”, versicherte sie mir.

 

In einem kleinen Souvenirshop entdeckte ich Magnete und T-Shirts, die mit Fliegen geschmückt waren, und machte anscheinend ein etwas verwirrtes Gesicht. Fliegen?

 

„Kennst du nicht die Geschichte mit den Fliegen?  Im Jahr 1286, während der Invasion der Franzosen, plünderte und zerstörte die Armee Teile der Stadt und griff die Einwohner an, ohne Respekt vor den religiösen Denkmälern. Eines Tages öffneten sie das Grab des heiligen Narcissus und ein Schwarm Stechmücken kam heraus, biss die Soldaten und ihre Pferde, tötete sie alle und rettete die Stadt.“

 

Im Laufe der Geschichte wurde Girona viele Male angegriffen und erhielt so ihren Spitznamen: Die Stadt der tausend Belagerungen.

 

Als eine Art „Architekturfanatiker” stellte ich fest, dass die Stadt sich von ihrer Bauweise her „französisch” anfühlte.

 

Margarita grinste: „Ja, da wir sehr nahe an Frankreich liegen, gibt es bei der Bauweise der Stadt starke Einflüsse. Manchmal werden hier Filme gedreht, die eigentlich in Frankreich spielen. Und kennst du Game of Thrones? Der wird hier auch im Sommer gedreht!” 

Kathedrale Girona

Kathedrale Girona

Im Inneren der symbolhaften Kathedrale der Stadt standen wir ehrfürchtig vor dem Schöpfungsteppich.

 

„Dieser Abschnitt zeigt die Schöpfung Evas aus Adams Körper. Hier ist die Sonne und der Mond und die Sterne. All das sollte die Entstehung der Welt auf einfache Weise zeigen, für Menschen, die nicht lesen konnten. Sein Alter wird auf etwa 1000 Jahre geschätzt”, sagte sie beiläufig.

 

Im Mittelschiff der Kathedrale war ich von ihrer Stille tief beeindruckt. „Sie ist einzigartig”, fuhr Margarita fort, „weil es keine Säulen gibt, das verleiht ihr eine gewisse Offenheit und räumliche Größe. Ist ihre Einfachheit nicht wunderschön?”

 

Ich stimmte zu, total sprachlos von ihrer Größe. Es überrascht nicht, dass der Bau etwa 400 Jahre gedauert hat. Die Sonne stand nun hoch am Himmel und mir wurde langsam heiß. Margarita erklärte mir, dass an dieser Stelle die meisten Leute umkehrten und in die Stadt zurückgingen, aber wir könnten noch weiter gehen und von oberhalb der Kathedrale einen hervorragenden Ausblick auf ihren Umriss mit der Stadt im Hintergrund erhalten.

 

„Das hier ist ein geheimer Garten”, flüsterte sie, „eine Französin hat hier gelebt. Man sagt, sie war die Geliebte des Bischofs.“

 

Die Pflanzen und Bäume waren üppig und grün und verströmten ein weiches, süßliches Pinienaroma, das mich erfrischte. Wir hielten an einem Brunnen, tranken Wasser und betrachteten die Zypressen.

 

„In Girona sieht man überall Zypressen und Olivenbäume. Und sie kommen auch in vielen von Dalís Gemälden vor.“ 

Gironas römische Mauern

Gironas römische Mauern

Wir stiegen auf die schmalen römischen Mauern entlang der Berghänge und schauten auf die Stadt unter uns. Ich konnte mir gut vorstellen, wie hier einmal Soldaten patrouilliert und in die Ferne Richtung Pyrenäen geschaut hatten.

 

„Die Stadt ist gar nicht so klein, oder?” dachte ich laut.

 

„Die Menschen sind immer überrascht darüber, wie groß Girona ist. Die Stadt hat etwa 100.000 Einwohner und sie bietet alles, was man braucht. Ich sage immer: Es ist eine große Kleinstadt.“

 

Langsam war ich am Verhungern und mein Magen knurrte. Ich hatte bei Occi reserviert, eines von Margaritas Lieblingsrestaurants in der Stadt, und freute mich auf eine Fischplatte mit Reis und ein Glas Wein aus dem Gebiet Empordà.

 

„Aber bevor wir uns verabschieden, müssen wir den Hintern des Löwen küssen”, sagte Margarita im Vorbeigehen. „Es wird dir Glück bringen und dafür sorgen, dass du nach Girona zurückkehrst.“

 

Ich zögerte keine Sekunde, lief hinauf zum Löwen und gab ihm einen festen Kuss. Zweimal auf jede Wange.

 

Ben wohnte im Hotel Ciutat de Girona im Stadtzentrum. Besuchen Sie die Websites des Tourismusverbands und erfahren Sie mehr über die atemberaubende Costa Brava und den Rest von Katalonien. Reiseverbindungen von Barcelona und der Costa Brava nach Girona finden Sie unter sagales. com

 

- Ben Holbrook