Lust auf die Azoren?

Als ich meinen Freunden erzählt habe, dass ich auf die Azoren fliege, habe ich immer eine erstaunte Antwort bekommen: „Oooooh, die Azoren. Äh, wo liegen die eigentlich?“

 

Das ist eine verständliche Frage. Irgendwie sind die Azoren bis heute eines der eher mysteriösen Reiseziele Europas. Das ist auch nicht verwunderlich, denn dieser Inselarchipel mit 9 Inseln liegt so ziemlich genau in der Mitte des Atlantischen Ozeans.  Ja, geographisch gesehen liegt er sogar ein wenig näher an Europa als an Amerika, aber das wäre wirklich Haarspalterei. Es reicht wohl, wenn man sagt: „weit weg“. Der zweite Teil der Antwort, das „Oooooh, die Azoooooren“, ist ebenfalls verständlich. Allein der Name des Archipels, Azoren, klingt schon exotisch. Die Leute stellen sich dann weiße Sandstrände, karibisches Meer, Strandhütten und Palmen vor. Nun, diesen Mythos sollten wir sofort aufdecken: Von dem Moment an, an dem ich auf Sao Miguel, der größten der Inseln, gelandet bin, wird mir bewusst, dass ich die Azoren gerade mit Irland vergleiche. Felder um Felder voller Kühe, kleine Steinhäuser und sorgfältig errichtete Steinmauern, riesige, blaue Hortensienstauden, dichte Kiefernwälder, eine schwarze Küste, die vom Atlantik umspült wird und vor allem: viel Grün. Ganz egal, wohin man schaut, alles ist grün.

Die Azoren. Nicht Irland. Azoren. Bild: iStock - Leonsbox

Natürlich ist das hier nicht Irland. Zum einen habe ich die Azoren im Oktober besucht und trotz des bedeckten Himmels (wie zuhause) zeigt das Thermometer immer noch um die 20°C an. Und es ist exotisch. Nur eben nicht auf die Art und Weise, wie man sich Exotik sonst vorstellt. Die beste Art und Weise, wie ich die Azoren beschreiben kann ist ... nun, stell dir einmal vor, dass Island, Irland, Sri Lanka und Jurrasic Parc sich zusammengetan habe, um süße kleine Inselbabys zu machen. Genau so sehen die Azoren aus.

Die herrlichen Sete Cidades. Bild: Azoresphotos.visitazores.com (plokje)

Hier kannst du am Vormittag Wale beobachten, mittags ein Gericht essen, dass unter der Erde nur mit der Hitze des Vulkans gekocht wurde, dann in den Bauch eines riesigen Kraters wandern und am Abend in den Naturthermalbädern entspannen. Es ist sehr einfach, sich in die Inselgruppe zu verlieben und die Tatsache, dass sie noch nicht so überlaufen sind, macht das umso einfacher.

 

Ich habe so einiges über die Azoren und die vielen Dinge, die du dort erleben kannst, zu erzählen. Bevor ich aber damit anfange möchte ich die Inseln erst einmal richtig vorstellen, was mir besonders deshalb wichtig erscheint, weil sie vielen Menschen immer noch ein Rätsel sind. Bevor sich dich also auf das Schwimmen mit Delfinen, Tauchparadiese und Mountainbiken vorbereite gebe ich dir hier ein paar grundlegende Informationen, die du haben solltest, bevor du entscheidest, ob du die Azoren mit auf die Liste deiner Reiseziele nehmen solltest. Was also spricht für die Azoren?

 

Typischer Strandurlaub Fehlanzeige (aber es besteht durchaus die Möglichkeit, an den Strand zu gehen)

 

Es spricht ja gar nichts gegen einen Urlaub am Strand. Ich bin sogar der Meinung, dass jeder von uns ab und an einmal direkt am Meer entspannen sollte. Aber hierher zu fliegen, nur, um dann den Tag am Strand zu verbringen, käme mir wie eine Verschwendung vor. Es gibt einige großartige Strände, aber die Azoren sind kein Ferienparadies mit riesigen Hotels am Strand. Hier erwarten dich stattdessen Vulkane, dichte Wälder, wunderschöne Seen, Flüsse, Berge, kochender Schlamm und Thermalbäder ohne Ende. Die Azoren sind mehr ein „der schönste Urlaub meines Lebens“-Reiseziel. Wenn du am Meer entspannen möchtest, dann empfehle ich dir eines der Naturschwimmbäder an der vom Vulkangestein geprägten Küste. Aber du darfst hier keine Strände wie auf den Balearen oder den griechischen Inseln erwarten.

Die Küste bei Mosteiros. Bild: Azoresphotos.visitazores.com (Daniel-haslwanter.at)

Du liebst die Natur:

 

Nun, hier gibt es eine Menge Natur. Die Azoren sind ein wahres Naturparadies. Diese neun kleinen Inseln haben sich aus dem Meer erhoben und wurden von der geschmolzenen Lava gebildet. Dadurch sind einige der schönsten, ungewöhnlichsten, abwechslungsreichsten und dramatischsten Landschaften entstanden, die ich seit Langem gesehen habe. Jede der Inseln hat eine ganz eigene Anziehungskraft und alles fühlt sich irgendwie frisch, rein und sauber an. In der ersten Woche habe ich das erste Mal das Ende eines Regenbogens gesehen und dann noch vier weitere ... so eine Art von Insel ist das hier. Ein Paradies – aber eben nicht ein „weißer Sand und türkises Wasser“-Paradies, sondern mehr wie ein Garten Eden oder dem Großen Tal am Ende des Films „In einem Land vor unserer Zeit“. Die Bewohner der Azoren haben ein gutes Gespür für Schönheit und schützen die Natur und Umwelt der Insel mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen.

 

Du liebst die Abwechslung:

 

Viel, viel Abwechslung. Wenn du zu den Leuten gehörst, die im Urlaub am Ende des Tages am Liebsten völlig erschöpft ins Bett fallen, dann wirst du die Azoren lieben. Wer gerne viel Zeit an der frischen Luft verbringt, der ist auf den Azoren wunderbar aufgehoben. Der gesamte Inselarchipel ist ein einziger, riesiger Naturspielplatz und ganz egal, ob du lieber an Land oder auf dem Wasser bist: für Abenteuersportler sind die Azoren eine Art Süßigkeitenladen, aus dem sie sich frei bedienen dürfen. Klettern, Canyoning, Mountainbiking, Tauchen, Wandern, Golfen, Angeln, Reiten, Walbeobachtung, Schnorcheln mit wilden Delfinen, Radfahren, Paddeln, Kajakfahren, Surfen.... Du könntest ganz einfach eine einwöchige Reiseroute allein auf Sao Miguel erstellen, aber die einzelnen Inseln bieten jeweils ganz eigene Möglichkeiten. Wenn Du also bereit bist, von einer Insel auf die andere zu fliegen (es werden Flüge zwischen den Inseln angeboten und im Sommer verbindet eine Fähre die Inseln miteinander).

Canyoning auf Sao Miguel

Du liebst es heiß ... aber nicht sooo heiß:

 

Im Winter fallen die Temperaturen nicht unter 10°C und im Sommer bleibt es hier auch angenehm mild (bis zu 26°C sind im Juli und August üblich). Aber es ist sehr feucht und es kann auch schon einmal so richtig windig werden. Auch ein Regenschauer ab und an ist durchaus drin. Wenn du einen Urlaub suchst, in dem du dich jeden Tag in der Sonne aalen möchtest, dann gehst du mit den Azoren eher ein Risiko ein (immerhin befindest du dich hier mitten auf dem Atlantik). Die Chancen stehen gut, wenn du mitten im Sommer anreist, aber man weiß es wirklich nie: Hier hängt das Wetter im Wesentlichen vom Ozean ab. Das wechselhafte Wetter auf den Azoren eignet sich aber wunderbar für einen Aktivurlaub, bei dem extreme Temperaturschwankungen nicht so sehr geschätzt werden.

 

Du brauchst keinen Rave:

 

Die Einheimischen feiern auch gerne, aber das hier ist nicht Ibiza. Es gibt hier keine Clubs, die bis in die frühen Morgenstunden laut Musik machen oder mit Neonlichtern beleuchtete Partymeilen. Stattdessen gibt es einige sehr nette Bars und einige davon bleiben auch bis tief in die Nacht hinein auf. Aber das Ambiente ist insgesamt eher entspannt und gemütlich. Und das ist wirklich einmal erfrischend. Insbesondere dann, wenn du während des Tages so viel erlebt hast, dass du im Grunde froh bist, wenn du die Nacht nicht noch zum Tage machen musst. Die Insulaner sind allerdings auch für ihre Festivals bekannt: Von traditionell religiösen Feiern bis zu einem bekannten jährlich stattfindenden Blues-Festival auf Santa Maria und wenn du das Tanzbein schwingen möchtest, dann solltest du dich auf einer dieser Veranstaltungen einmal umschauen.

Dafür lohnt sich dann auch die Fahrt mit der Fähre.

Du möchtest Wale sehen, weißt aber auch, dass du dafür auch eine Portion Glück haben musst:

 

Ich habe die ersten vier Tage auf den Azoren damit verbracht, immer wieder aus dem Flugzeugfenster, Autofenster, Restaurantfenster und Hotelfenster zu schauen, um endlich einen Wal auszumachen.  Ich habe den Reiseleitern immer wieder gesagt, dass ich mich darauf so sehr gefreut habe. Die Reiseleiter haben mich immer wieder höflich darauf hingewiesen, dass ich zu dieser Jahreszeit wegen des aufgewühlten Meeres wohl keine Wale zu Gesicht bekommen würde. Erst am fünften Tag habe ich dann begonnen, auf sie zu hören. Ich habe immer noch gehofft und so, aber nach und nach eingesehen, dass es vermutlich nicht geschehen würde. Die Azoren gehören zu den besten Gebieten für Walbeobachtung weltweit und mit ein wenig Glück kann man hier gleich viele verschiedene Arten von Walen ausmachen. Wenn du sie unbedingt sehen möchtest, dann buch dich auf einer der angebotenen Bootstouren ein und das am besten zwischen Juni und September, wenn das Meer deutlich ruhiger ist.  Verschwende bloß nicht deine Zeit, hoffnungsvoll vom Autofenster aus auf den Ozean zu starren. Keine Ursache.

 

Du kannst auch ein wenig Geduld aufbringen:

 

Denn manchmal wirst du nicht vorankommen, weil Kühe auf der Fahrbahn stehen. Die Inseln wurden bis jetzt noch weitgehend vom Massentourismus verschont und obwohl es überall WLAN-Zugang gibt und die Infrastruktur durchaus mit dem Festland mithalten kann, sind die Inseln nach wie vor von der Landwirtschaft geprägt. Hier geht alles seinen gemächlichen, wunderbar einfachen Gang, Die Bewohner kennen einander und winken jedem Auto zu, dass an ihnen vorbeifährt. Sie verschließen ihre Autos nicht und die Häuser sind nicht mit Alarmanlagen ausgestattet. Die Menschen hier sehen glücklich aus. So sehr, dass man unweigerlich in Versuchung kommt, das eigene Leben aufzugeben und hierhin umzuziehen, um Landwirtschaft zu betreiben. Wenn du aber auch nur ansatzweise so wie ich bist, dann fällt dir auch ganz schnell ein, dass du genau davon so gar keine Ahnung hast und doch lieber wieder nach Hause fliegst. Aber die Azoren packen einen. Garantiert.

Wein und Käse auf den Azroen.

Allein der Wein und der Käse sind die Reise wert:

 

Überall auf der Insel gibt es Weinberge und Kühe und diese Weinberge und Kühe bringen einige hervorragende Weine und Käsesorten hervor. Die Produktion ist eher klein im Vergleich zu den bekannten Wein- und Käseproduzierenden Regionen und die enormen Exportkosten für kleine Mengen über so eine hohe Distanz sorgen dafür, dass azorischer Wein und Käse außerhalb der Inseln kaum bekannt sind. Also musst du schon dorthin fliegen, um sie zu probieren. Und wenn du schon dort bist, dann solltest du unbedingt auch die einheimischen Liköre kosten. Besonders lecker sind auch die hier angebauten Ananas, der Tee, Passionsfrüchte und das Rindfleisch.

 

Du kannst damit leben, hier öfter herzukommen.

 

Das ist der Fluch der Inseln. Ich liebe es ja, immer wieder neue Länder und Orte zu entdecken, aber es gibt darunter auch welche, von denen ich einfach nicht genug bekommen kann. Die Azoren gehören dazu. Ich habe so viel unternommen, während ich dort war, aber jetzt, wo ich zurück bin, möchte ich sofort wieder hin und alles noch einmal und am besten noch viel mehr zu unternehmen. Ich träume von meiner Rückkehr und denke oft an die Inseln, die ich noch nicht besichtigt habe und ich kann es kaum erwarten, mich wieder in den Flieger zu setzen. Nachdem ich andere Reiseziele auf meiner Liste nach unten verschoben habe, stehen die Azoren wieder ganz obenauf. Wenn du hierherkommst und erst einmal herausfindest, was die Inseln alles zu bieten haben, wird es dir vermutlich ähnlich ergehen.

Dieser kleine Inselarchipel mitten im Atlantischen Ozean ist wirklich etwas ganz Besonderes. Wenn du die unglaubliche Natur und Schönheit der Inseln zu schätzen weißt und dich von den unzähligen Aktivitäten, denen du hier nachgehen kannst, mitreißen lässt, dann kann es gut sein, dass die Azoren in Zukunft zu deinen Lieblingsreisezielen gehören werden. Dazu die Tatsache, dass sie von London, Lissabon und Porto so einfach zu erreichen sind und dabei dennoch weitgehend unberührt und exotisch wirken machen sie zu einer idealen Wahl für Reisende, die einmal etwas wirklich Neues erleben möchten, ohne dabei gleich eine Fernreise in Kauf nehmen zu müssen.

 

An drei der fünf Gelegenheiten, als ich während meines einwöchigen Aufenthaltes dort das Ende des Regenbogens gesehen habe, habe ich meinen Reiseleiter begeistert darauf hingewiesen. Sie alle kannten dieses Phänomen aber und haben nur gelacht und gesagt „ah, jetzt musst du dann losziehen und den Schatz suchen, der darunter vergraben ist.“ Ich konnte nicht anders und dachte, den habe ich doch bereits gefunden und der Regenbogen hat mich nur immer wieder daran erinnert.

 

Flüge nach Portugal

 

- Dee Murray