Eine Insel mit vielen Gesichtern

Kefalonia empfängt die Gäste mit griechischen Köstlichkeiten und ursprünglicher Natur

Von Thomas Dix

Madonna war schon hier. Nicolas Cage auch. Doch die mondänen Zeiten des Fischerdörfchens Fiskardo sind vorbei. Nur noch ein einziges Sterne-Lokal hat sich in der „Perle der Ionischen Häfen“ gehalten. Die anderen Restaurants, die mit schattigen Plätzen direkt am Wasser um Gäste werben, sind deutlich preiswerter – dabei aber nicht schlechter. Im Gegenteil. Heute sitzen vor allem Italiener und Engländer auf den Holzstühlen, genießen Schwertfisch oder eine der anderen Leckereien von der Speisekarte. Deutsch wird hier bislang nur selten gesprochen.

 

Jahrzehntelang war Kefalonia bei deutschen Urlaubern unbekannt – die Teutonen zog es lieber an die Strände der weiter im Norden gelegenen Insel Korfu. Doch das wird sich ändern, denn der Flughafen in der Nähe der Hauptstadt Argostoli wurde kürzlich von Fraport übernommen. Für 27 Millionen Euro entsteht dort gerade ein neues Terminal. Auf der Landebahn setzen seit Ende März auch Maschinen des Billigfliegers Ryanair auf.

Kefalonia lebt vom Tourismus. Dennoch ist es auf der Insel alles andere als laut und wuselig – zumindest nicht im Frühjahr, wenn die Temperaturen noch nicht so hoch sind und in Europa noch keine Ferien. Die Insel hat sich ihren eigenen Charme bewahrt und darauf verzichtet, sich auf dem Altar der Ferienindustrie zu opfern. Wirklich touristisch ist es nur ganz im Süden des Eilands: im Städtchen Skala – hier reihen sich Hotels und Restaurants aneinander.

 

Auch im Sommer, wenn die Temperaturen an der 40-Grad-Marke kratzen, weht immer eine frische Brise vom Meer. Wem es dann zu warm ist, der macht sich auf nach Drogarati. Vor rund 300 Jahren wurde dort eine riesige Tropfsteinhöhle in der Nähe der Stadt Sami entdeckt, die für Besucher gut erschlossen ist. Die Temperatur beträgt durchgängig 18 Grad, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 90 Prozent. Zwischen den Stalaktiten und Stalagmiten finden unter der 60 Meter hohen Kuppel regelmäßig Konzerte statt – der guten Akustik wegen. Sogar Maria Callas sang schon hier.

Apropos Kultur: Das Volkskundemuseum in Argostoli gibt einen guten Einblick in die Lebensweise der Einwohner vor 100 Jahren. Zudem gibt es zahlreiche Fotos des „alten“ Kefalonia, das 1953 bei einem schweren Erdbeben unterging. Damals verließen 100 000 Menschen die Insel. Jetzt leben noch 35 000 Einwohner hier.

 

Heute sind so gut wie alle Häuser – die Hotels sowieso – so gebaut, dass sie einem Erdbeben standhalten. Wer sich nicht dran hält, muss die Türen geschlossen lassen. Von dieser Konsequenz zeugt ein erst vor wenigen Jahren errichteter Hotelkomplex, der seit der Fertigstellung leer steht.

Kefalonia hat viele Gesichter: Jede der vier Halbinseln hat einen eigenen Charakter. Der felsige und karge Norden beeindruckt mit malerischen Dörfern und atemberaubenden Sandstränden. Beliebtes Postkartenmotiv ist der imposante Myrtos Beach, der allerdings nur über eine Serpentinenstraße erreichbar ist. Im Osten gibt es zahlreiche Strände mit Kieselsteinen, etwa der Antisamos Beach. Hier ist das Wasser besonders sauber, weil kein Sand darin ist. Dennoch: „Alle Strände haben die blaue Flagge“, weiß Theodora Kalogeratout, die 20 Jahre in Mannheim lebte und nun in fließendem Deutsch Touristen über die Insel führt.

 

Theodora kennt die Insel wie ihre Westentasche. Am liebsten bringt sie Gäste zum unterirdischen See Melissani bei Karavomilos: Auf einem Boot können sich die Urlauber wie in Venedig umherpaddeln lassen und dabei bestaunen, wie die Sonne die grün bewachsenen Felshänge bescheint und das Wasser in ein märchenhaftes Licht taucht.

Weinfreunde kommen im Tal von Omala auf ihre Kosten: Auf einem Hochplateau, 400 Meter über dem Meeresspiegel, eingerahmt von tannenbewachsenen Berghängen, wachsen die berühmten Robola-Reben. In der Winzergenossenschaft der Insel, idyllisch im Schatten der mächtigen Kathedrale San Gerasimo gelegen, wird seit 1982 der trockene Weißwein ausgebaut. 500 000 Flaschen werden pro Jahr abgefüllt, 40 Prozent davon werden in verschiedene europäische Länder exportiert.

 

Viele Einwohner produzieren zudem Honig und Olivenöl. Dazu kommen mehr als 20 Fetasorten, die aus der Milch der Ziegen und Schafe – 100 000 Tiere leben auf der Insel – hergestellt werden. 

Das weiße Kuppeldach wird gestützt von klassizistischen Säulen: Vom 1829 errichteten Leuchtturm aus hat der Besucher einen schönen Blick auf die Hauptstadt Argostoli – und auf die 900 Meter lange Drapanos-Brücke. Vor allem in den Abendstunden lässt es sich hier flanieren. Hinter der Steinbarriere liegt ein Naturschutzgebiet. Wenn man Glück hat, kann man im kristallklaren Wasser eine der berühmten Caretta-Wasserschildkröten erblicken. Sehenswert ist zudem das Theater aus dem 18. Jahrhundert an der Platia Valianou.

 

Mit der Fähre Gerasimo geht es zur Halbinsel Paliki mit ihrer Hauptstadt Lixouri. Berge sucht man auf dieser Halbinsel vergeblich. Die Küstenlinie erinnert mit ihren flachen, zerklüfteten Felsen eher an die Bretagne. Am ebenso langen wie schmalen Xi Beach lässt es sich unter einem der Bastschirme hervorragend relaxen. Badegäste reiben sich gerne mit der rötlichen Tonerde ein, wenn sie aus dem Wasser kommen. „Das ist gut für die Haut“, weiß Theodora. Unweit des Strands befindet sich eines der wenigen Fünf-Sterne-Hotels der Insel. In den Bars kann man zum Espresso die Loukoumades genießen – eine Art Krapfen, mit Honig beträufelt. 

Doch am schönsten ist es im Norden der Insel, wo sich die Natur ihre Ursprünglichkeit bewahrt hat. Die karge Kalksteinlandschaft mit ihren Pinien und Oleanderbüschen, die meist einsamen Fischerdörfer mit ihren bunten Häusern, die traumhaften Buchten – ein Ort, wie geschaffen für Prominente. Wie Madonna. Aber nicht nur für sie.